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QI-NET: GEMEINSCHAFT FÜR MEDIZINISCHES QIGONG

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         8.       MEDIZIN IM 20. JAHRHUNDERT  Im 20. Jahrhundert konnte man viele Infektionskrankheiten mit Impfstoffen, Antibiotika und verbesserten Lebensbedingungen eindämmen. Krebs wurde häufiger, aber man hat auch Behandlungsmethoden entwickelt, mit denen sich einige Krebsformen wirksam bekämpfen lassen. Auch die Grundlagenforschung, die sich mit lebenden Systemen beschäftigt, weitete sich im 20. Jahrhundert erheblich aus. In vielen Bereichen gab es wichtige Entdeckungen, insbesondere im Hinblick auf die Vererbung von Eigenschaften sowie die chemischen und physikalischen Mechanismen der Gehirnfunktion.

         8.1.    Genetik  Eine grundlegende Entdeckung des 20. Jahrhunderts betraf den Weg, auf dem erbliche Merkmale weitergegeben werden. Ein entscheidender Schritt dazu gelang Oswald Theodore Avery und seinen Kollegen in den vierziger Jahren am Rockefeller Institute: Wie sie damals zeigen konnten, lassen sich erbliche Eigenschaften in Form einer Verbindung namens Desoxyribonucleinsäure (DNA) von einer Bakterienzelle zur anderen übertragen. 1953 beschrieben der englische Physiker Francis Harry Compton Crick und der amerikanische Biologe James Dewey Watson ein Strukturmodell der DNA, mit dem sich auf elegante Weise erklären ließ, wie diese Substanz die genetische Information speichert. In den sechziger Jahren klärte der amerikanische Biochemiker Marshall Warren Nirenberg wichtige Einzelheiten dieses Mechanismus auf, und 1970 synthetisierte der in Indien geborene amerikanische Biochemiker Har Gobind Khorana auf der Grundlage dieser Erkenntnisse zum ersten Mal ein Gen. In der zweiten Hälfte der siebziger Jahre entwickelte man Methoden zur gezielten Veränderung von Genen, und seit Mitte der achtziger Jahre finden einige dieser Methoden auch medizinische Anwendung. Mit den gleichen Verfahren, die man zusammenfassend als Gentechnik oder Genklonierung bezeichnet, kann man auch Produkte des menschlichen Organismus wie Hormone oder Interferon in großen Mengen und in reiner Form herstellen.

         8.2.    Chirurgie  

In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts konnte man Operationen vornehmen, die früher als unmöglich galten. 1962 wurde erstmals ein an der Schulter abgetrennter Arm wieder angenäht. Weniger Aufsehen erregend waren häufigere Eingriffe wie das Annähen von Fingern oder Zehen, die durch Unfälle abgerissen waren. Solche Eingriffe wurden möglich, weil man nun das Mikroskop bei Operationen zu Hilfe nahm. Damit kann der Chirurg die winzigen Nerven und Blutgefäße erkennen, die er zusammenfügen muss, um das angesetzte Körperteil wieder funktionsfähig zu machen. Ein weiterer Fortschritt waren Entwicklungen wie das künstliche Hüftgelenk, das Patienten mit Arthritis Bewegungen erleichterte, und die batteriebetriebene Armprothese. Nierenversagen, das früher zum Tod führte, behandelt man heute routinemäßig mit einer Transplantation oder mit der Langzeittherapie an einer künstlichen Niere. Wie sich 1975 in einer groß angelegten Studie herausstellte, kann man Diabetikern, bei denen Blutgefäße in den Augen geschädigt sind, die Sehfähigkeit häufig mit einer Laserbehandlung erhalten. Manche Formen der schweren Epilepsie heilt man, indem man die fehlerhafte Stelle im Gehirn aufspürt und mit einer Sonde zerstört, die mit flüssigem Stickstoff gekühlt wird.

         8.3.    Infektionskrankheiten  

Viele Infektionskrankheiten konnte man im 20. Jahrhundert durch bessere hygienische Verhältnisse, Antibiotika und Impfstoffe eindämmen. Die gezielte medikamentöse Therapie von Infektionskrankheiten begann, als der deutsche Arzt Paul Ehrlich das Arsphenamin entdeckte, eine arsenhaltige Verbindung, mit der man Syphilis behandeln konnte. 1932 veröffentlichte der deutsche Wissenschaftler Gerhard Domagk die Beobachtung, dass die Verbindung Prontosil gegen Streptokokkeninfektionen wirkt. Nachdem man das Sulfanilamid entdeckt hatte, den aktiven Bestandteil des Prontosils, konnte man die ersten Sulfonamid-Antibiotika entwickeln. Die britischen Biochemiker Howard Florey und Ernst Chain legten 1938 eine Reinform des Penicillins vor. Es war zehn Jahre zuvor von Alexander Fleming entdeckt worden, der die Bakterien tötende Wirkung des Pilzes Penicillium bemerkt hatte. Der Ausbruch des 2. Weltkrieges führte dazu, dass Penicillin sofort in großem Maßstab hergestellt wurde: Die Folge war ein erheblicher Rückgang der Todesfälle.

Auch gegen die Tuberkulose fand man ein wirksames Medikament: das Streptomycin. Als Bakterien dagegen resistent wurden, entwickelte man ein Kombinationspräparat aus Rifampicin und Isoniazid – das bis heute wichtigste Mittel gegen diese Krankheit. Lepra lässt sich mit den Medikamenten einer anderen Gruppe, den Sulfonen, wirksam behandeln. Und gegen Malaria verabreicht man Derivate des Wirkstoffes Chinin, der ursprünglich aus der Rinde des Chinabaumes gewonnen wurde (heute stellt man ihn synthetisch her). Gegen Viren helfen Antibiotika jedoch nicht, und deshalb wurde bei Viruskrankheiten die vorbeugende Impfung zur wichtigsten Form der Bekämpfung. Die ersten Impfungen wurden gegen folgende Krankheiten entwickelt: Pocken (Impfstoff entdeckt von Edward Jenner 1796); Typhus (Impfstoff entwickelt von dem englischen Bakteriologen Almroth Wright 1897); Diphtherie (1923); und Tetanus seit den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts.

Einen wichtigen Fortschritt in der Herstellung von Impfstoffen gegen Viren brachten die dreißiger Jahre. Damals entwickelten die amerikanischen Mikrobiologen John Franklin Enders und Frederick Chapman Robbins Methoden, mit denen man Viren in Gewebekulturen züchten konnte. Das führte bald darauf zu Impfstoffen gegen Gelbfieber, Kinderlähmung, Masern, Mumps und Röteln. Mit gentechnischen Methoden stellte man Anfang der achtziger Jahre Impfstoffe gegen Hepatitis B, echte Grippe (Influenza), Herpes simplex und Windpocken her; auch ein Impfstoff gegen Malaria wurde erprobt.

Gegen Ende des 20. Jahrhunderts wurde der Kampf gegen die Infektionskrankheiten schwieriger: Einerseits wurden die Erreger gegen Antibiotika resistent, und andererseits entdeckte man auch neue Krankheiten, so z. B. die Legionärskrankheit und AIDS.

         8.4.    Die Funktion des Gehirns  Das Gehirn gehört zu den Körperteilen, die erst sehr spät wissenschaftlich untersucht wurden. Im 19. Jahrhundert unterschied der spanische Neuroanatom Santiago Ramón y Cajal mit Hilfe chemischer Farbstoffe zwischen verschiedenen Gehirnbereichen, aber um diesen Feldern bestimmte Funktionen zuzuordnen, bedurfte es der raffinierteren Hilfsmittel des 20. Jahrhunderts. Zunächst regte der amerikanische Neurochirurg Wilder Graves Penfield bei Operationen verschiedene Punkte im Gehirn der Patienten an und konnte auf diese Weise zeigen, dass die einzelnen Muskel- und Gefühlsfunktionen durch unterschiedliche Stellen gesteuert werden. Bei der Untersuchung von Personen, deren rechte und linke Gehirnhälfte durch einen chirurgischen Eingriff getrennt worden waren, stellte sich heraus, dass jede der beiden Hemisphären andere Aufgabenschwerpunkte hat. Nachdem man an den National Institutes of Health in den USA in den siebziger Jahren neue, verbesserte Bildgebungsverfahren entwickelt hatte, konnte man zeigen, welche Gehirnbereiche für die Steuerung von Hören, Sprechen und Bewegung zuständig sind.

Ebenso wichtig war die Aufklärung der Nervenfunktion. Nach der im 20. Jahrhundert entwickelten Neurotransmittertheorie werden die Impulse durch das Zusammenwirken elektrischer und chemischer Signale von einem Nerv zum anderen übertragen. Eine weitere bedeutende physiologische Entdeckung machte man in den siebziger Jahren: Das Gehirn steuert manche Körperfunktionen durch die Ausschüttung von Hormonen. Diese werden im Hypothalamus (einem Teil des Gehirns) gebildet und beeinflussen die Hypophyse, die gewissermaßen als Kontrolldrüse die anderen Hormondrüsen reguliert. Diese Arbeiten der amerikanischen Endokrinologen Roger Guillemin und Andrew Victor Schally stellten eine Verbindung zwischen Gefühlen und Biochemie her. Für die Medizin ergaben sich daraus zum ersten Mal Behandlungsmöglichkeiten für Nervenleiden wie Epilepsie und Parkinson-Krankheit.

         8.5.    Das Immunsystem  Bis ins 20. Jahrhundert hinein wusste man über das Immunsystem nur wenig. Bekannt war vor allem, dass es nach Infektionen oder Impfungen Antikörper produziert. In den dreißiger Jahren wies der deutsche Immunologe Karl Landsteiner nach, wie verblüffend spezifisch die Antikörperreaktionen sind. Außerdem entdeckten andere Wissenschaftler, dass es mehrere Typen von Antikörpern gibt; Antikörper sind Eiweiße, die mit einem in den Organismus eindringenden Antigen reagieren. Insbesondere stellte sich heraus, dass einer dieser Typen, das Immunglobulin E, mit Allergien zu tun hat, und in den fünfziger Jahren wurde die genaue Struktur eines Immunglobulintyps aufgeklärt.

Wie man nun feststellte, ist das Immunsystem die Ursache einer durch den Rhesusfaktor bedingten Erkrankung sowie der Abstoßungsreaktionen nach Organverpflanzungen. Nach Transplantationen der Nieren und anderer Organe verabreicht man heute Medikamente, die das Immunsystem vorübergehend schwächen. Wie man ebenfalls bemerkte, sind Antikörper auch die Ursache mehrerer tödlicher Erkrankungen, die nach Bluttransfusionen auftreten können. Durch die Blutgruppenbestimmung nach immunologischen Gesichtspunkten wurde die Übertragung von Spenderblut zu einer ungefährlichen medizinischen Standardmethode.

In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts entdeckte man einen weiteren Teil des Immunsystems; die Träger dieser so genannten zellulären Immunität sind die Lymphocyten (bestimmte weiße Blutkörperchen). Nachdem man die zelluläre Immunität kannte, konnte man sich die Entstehung vieler Krankheiten erklären, die auf Defekte in bestimmten Untergruppen der Lymphocyten zurückgehen. Die Versuche, solche Fehler zu beheben, konzentrieren sich derzeit darauf, dem Patienten Zellen aus dem Knochenmark eines gesunden nahen Verwandten zu injizieren. Andere Forschungsarbeiten beschäftigen sich mit den Hormonen, welche die unreifen Lymphocyten des Embryos zur funktionsfähigen Form heranwachsen lassen.

         8.6.    Radiologie  

In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts entwickelte man verbesserte Methoden, um in das Innere des menschlichen Körpers zu blicken. Seit den siebziger Jahren gibt es eine Spezialkamera für Gammastrahlung, mit der man die Lage von Krebsherden feststellen kann. Von großem Nutzen für die Diagnose von Kopfverletzungen war die Computertomographie (CT), ein computergestütztes Röntgenverfahren, das 1975 erfunden wurde. Weitere neue Bildgebungsverfahren waren die Positronen-Emissionstomographie (PET) und die Kernresonanz-Bildgebung (NMR). Auch Ultraschall wird seit einiger Zeit in ähnlicher Weise eingesetzt.

         8.7.    Geistige Störungen  Geisteskrankheiten waren noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts fast ein Tabuthema, und Personen mit geistigen Störungen sperrte man auf grausame Weise ein, ohne ihnen zu helfen. Heute gibt es für manche dieser Leiden wirksame Behandlungsmethoden. Das hat zu besseren Heilungsaussichten für die Betroffenen sowie teilweise zur Aufhebung ihrer gesellschaftlichen Ächtung geführt.

Zu den ersten Versuchen, Fehlfunktionen des Geistes und der Seele zu verstehen, gehörten die Theorien, die Sigmund Freud formulierte. Aber die von ihm entwickelten und von seinen Nachfolgern abgewandelten Methoden der Psychoanalyse erwiesen sich bei manchen schweren geistigen Störungen als unwirksam. Zwei frühe Versuche zur Behandlung von Psychosen waren die Leukotomie, auch Lobotomie genannt, die man 1935 einführte, und die Elektroschocktherapie, die 1938 entwickelt wurde. Die Leukotomie und andere, weniger schwerwiegende gehirnchirurgische Eingriffe, werden heute kaum noch vorgenommen. Die Elektroschocktherapie dient derzeit vor allem zur Behandlung von Depressionen, die auf eine medikamentöse Therapie nicht ansprechen.

Ein wichtiger Fortschritt in der Behandlung dieser Krankheiten waren die Psychopharmaka. Die ersten derartigen Wirkstoffe, die Phenothiazine, dienten Anfang der fünfziger Jahre zur Behandlung der Schizophrenie; sie linderten die Symptome vor allem bei Patienten, die an der akuten Form dieser Krankheit litten. Der anfängliche Optimismus, man könne nun die psychiatrischen Kliniken schließen, erwies sich jedoch als Illusion. Heute wissen die Ärzte, dass Medikamente nicht bei allen Patienten helfen und dass stets eine unterstützende psychologische Therapie erforderlich ist. Wie sich außerdem herausstellte, bekommen manche Menschen nach mehrjähriger Einnahme von Phenothiazinen das dystone Syndrom, eine bizarre Erkrankung von Nerven und Muskeln. Einen weiteren wichtigen Fortschritt in der medikamentösen Behandlung geistiger Störungen brachte das Lithium, das man heute bei manisch-depressiven Erkrankungen einsetzt. Andere Wirkstoffe, so die trizyklischen Antidepressiva, werden heute häufig mit Erfolg ebenfalls zur Behandlung von Depressionen eingesetzt.

         8.8.    Herzkrankheiten  Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind in den Industrieländern nach wie vor die häufigste Todesursache. In Diagnose und Therapie gibt es aber große Fortschritte. Die Diagnosemöglichkeiten wurden durch die Methode der Herzkatheterisierung verbessert, die der deutsche Mediziner Werner Forßmann 1929 im Selbstversuch entwickelte. Sie ermöglicht Druckmessungen in den einzelnen Herzkammern und in den wichtigsten Blutgefäßen. Ein Röntgenverfahren zur Betrachtung dieser Bereiche ist die Angiographie. Mit neueren Bildgebungsverfahren kann man das Ausmaß der Herzschäden bei Patienten feststellen, bei denen die Pumpleistung des Herzens nach einem Herzinfarkt abgenommen hat. Unter den vielen neuen Medikamenten ist besonders die Gruppe der Betablocker zu erwähnen, die bestimmte Funktionen des sympathischen Nervensystems unterbinden. Solche Präparate benutzt man bei Angina pectoris (Brustschmerzen durch Arterienverengung), Herzrhythmusstörungen und Bluthochdruck.

Die Fortschritte der Chirurgie führten 1958 zur ersten Implantation eines Herzschrittmachers und später zur Bypass-Operation, bei der man verengte Blutgefäße mit Transplantaten überbrückt, zum Ersatz infektionsgeschädigter Herzklappen und zur Korrektur vieler angeborener Herzfehler. Seit 1967 nimmt man Herztransplantationen vor, gelegentlich wird vorübergehend ein künstliches Herz eingesetzt, und Mitte der achtziger Jahre pflanzte man mehreren Patienten auf Dauer künstliche Herzen ein. Zu den Fortschritten bei der Vorbeugung gegen Herz-Kreislauf-Erkrankungen gehören die bessere Kenntnis von Risikofaktoren wie Rauchen, Stress, Übergewicht, Bluthochdruck und ein erhöhter Cholesterinspiegel. Die Sterblichkeit durch die koronare Herzkrankheit ist in den Industrieländern seit den zwanziger Jahren stetig und drastisch zurückgegangen. Diese Abnahme führt man auf veränderte Ernährungsgewohnheiten, die medizinische Behandlung des Bluthochdrucks, die abnehmende Zahl von Rauchern und vermehrte sportliche Betätigung zurück.

         8.9.    Vitamine und Hormone  Der Begriff Vitamin wurde 1912 von dem polnischen Biochemiker Casimir Funk geprägt. Seither hat man zahlreiche Vitamine isoliert und ihre Funktion für die Ernährung aufgeklärt, so dass man nun Pellagra, Beriberi, Rachitis und andere Mangelkrankheiten heilen konnte. 1926 entdeckten die amerikanischen Ärzte George Minot und William Murphy in der Leber ein wirksames Mittel gegen die perniziöse Anämie, das sie 1948 in reiner Form herstellten und als Vitamin B12 bezeichneten.

Die wachsenden Kenntnisse über die Tätigkeit der endokrinen Drüsen führten zu zahlreichen Versuchen, ihre Produkte, die Hormone, zu isolieren. Eines der ersten therapeutisch eingesetzten Hormonpräparate war ein Schilddrüsenextrakt, der sich sehr gut zur Behandlung der angeborenen Schilddrüsenunterfunktion Kretinismus und des Myxödems eignete. Von großer Bedeutung für die Behandlung der Zuckerkrankheit war die Isolierung des endokrinen Wirkstoffes Insulin aus der Bauchspeicheldrüse; dies gelang den kanadischen Ärzten Frederick Banting und Charles Best 1923. Die Synthese der Produkte männlicher (siehe Testosteron) und weiblicher (siehe Östrogen) Geschlechtsdrüsen lieferte wertvolle neue Wirkstoffe gegen Erkrankungen der Fortpflanzungsorgane. Aus den Nebennieren stammt der wichtige gefäßverengende Wirkstoff Adrenalin, den der japanisch-amerikanische Chemiker Takamine 1901 erstmals isolierte. In den vierziger Jahren konnte der Kanadier Hans Selye zeigen, dass diese Substanz Stressreaktionen auslöst. 1943 isolierte man aus dem Hypophysenvorderlappen in reiner Form das Hormon ACTH, das die Tätigkeit anderer endokriner Drüsen steuert. Die künstliche Synthese des Cortisons, das von den Nebennieren produziert wird, gelang erstmals 1946.

         8.10.  Krebs  

Vorwiegend aufgrund des wachsenden Anteils älterer Menschen an der Gesamtbevölkerung ist der Anteil derjenigen Todesfälle, die auf Krebs zurückzuführen sind, beispielsweise in den USA von vier Prozent im Jahre 1900 auf etwa 20 Prozent Anfang der achtziger Jahre angestiegen. Die Krankheitsentstehung ist immer noch nicht vollständig aufgeklärt, aber zu den Ursachen zählen berufliche und umweltbedingte Kontakte mit bestimmten Chemikalien. Insbesondere Zigarettenrauch erzeugt bekanntermaßen Lungenkrebs sowie manche Krebserkrankungen von Blase, Mund, Rachen und Bauchspeicheldrüse. Für die Verringerung der Sterblichkeit ist eine frühe Diagnose entscheidend, so z. B. beim Gebärmutterhalskrebs. Anfangs behandelte man diese Krebsform mit Bestrahlungen, aber seit den sechziger Jahren setzt man Medikamente ein. Die Chemotherapie führte in vielen Fällen von Brust- und Hodenkrebs sowie bei manchen Formen von Blutkrebs zur Heilung, im letzteren Fall vor allem bei kleinen Kindern. Außerdem untersuchte man, ob sich Cytokine (z. B. Interferon), eine Gruppe natürlich vorkommender Substanzen, als Krebsmittel eignen.

         8.11.  Ärztliche Ethik  Mit dem wachsenden Umfang der medizinischen Versorgung stellten sich neue Fragen nach der Anwendung bestimmter Therapieformen. Soll man z. B. todkranke Patienten durch Beatmung und ähnliche Maßnahmen künstlich am Leben erhalten? Der Oberste Gerichtshof des US-Bundesstaates New Jersey urteilte 1975 in einem berühmten Verfahren, die Eltern und Ärzte einer im Koma liegenden jungen Frau hätten das Recht, die lebenserhaltenden Apparate abzuschalten. In anderen Fällen entschieden die Gerichte, man dürfe die lebenserhaltenden Maßnahmen beenden, wenn der Patient zuvor den Wunsch geäußert habe, sein Leben nicht durch derartige Mittel zu verlängern. Eine ähnliche Frage stellt sich bei der Abtreibung eines Fetus, der mit einem Geburtsfehler zur Welt kommen würde. Die erweiterten Möglichkeiten zur Diagnose solcher Fehlbildungen verschaffen den Eltern die Möglichkeit, ausschließlich Kinder mit normalem Körperbau zu bekommen. Manche Ethiker lehnen den Schwangerschaftsabbruch als Tötung menschlichen Lebens grundsätzlich ab, auch wenn eine schwere Missbildung des Fetus diagnostiziert wurde.

         8.12.  Schwangerschaft und Geburt  Zu großen Fortschritten in der Empfängnisverhütung kam es in den fünfziger Jahren durch verbesserte Intrauterinpessare und 1960 durch die Einführung des ersten oralen Empfängnisverhütungsmittels (die „Pille”), das der amerikanische Biologe Gregory Pincus entwickelt hatte. Nachdem diese Methoden in sehr großem Maßstab angewandt wurden, erkannten Mediziner jedoch, dass sie nicht völlig ungefährlich sind. Deshalb geht die Suche nach besser geeigneten Methoden der Schwangerschaftsverhütung weiter.

Seit 1975 kann man angeborene bzw. ererbte Krankheiten schon vor der Geburt diagnostizieren. Dazu entnimmt man eine Probe des Fruchtwassers, das den Fetus umgibt, oder auch eine Probe des kindlichen Blutes und stellt daran fest, ob eine erbliche Blutkrankheit, das Down-Syndrom, ein offener Rücken (Spina bifida) oder eine andere angeborene Fehlbildung vorliegt (siehe Amniocentese). Auch das Geschlecht des Kindes lässt sich auf diese Weise feststellen.

Große Fortschritte gab es auch bei den Methoden zur künstlichen Befruchtung. Seit Anfang der achtziger Jahre bedienen sich viele Paare verschiedener Methoden zur in-vitro-Fertilization („Reagenzglasbabys”), oder sie lassen eine befruchtete Eizelle von einer Gebärmutter in die einer anderen Frau verpflanzen.

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